25.11.2004
Dt. Bankenverband: Aussichten bleiben Positiv
Köln, den 25.11.2004 (Investmentfonds.de) - Nach einem besonders guten Start ins Jahr
2004 hat sich das weltweite Wirtschaftswachstum im zweiten und dritten Quartal etwas
abgeschwächt. Insbesondere in den USA und in Japan hat sich die Konjunkturdynamik merk-
lich verlangsamt.
Dämpfende Effekte für die Weltkonjunktur gehen vor allem von den hohen Preisen für Öl
und andere Rohstoffe aus, die nachfragebedingt teilweise auf neue Höchststände geklet-
tert sind. Zwar beleben die höheren Rohstoffpreise in den Erzeugerländern die Konjunk-
tur. Den Rohstoff importierenden Ländern entziehen sie jedoch Kaufkraft, und sie dämpf-
en die Unternehmensgewinne. Trotz des inzwischen etwas abflauenden Schwungs der Welt-
konjunktur ist ein Abbruch der globalen Konjunkturerholung nicht zu befürchten. Anders
als bei den „Ölpreisschocks“ der 70er und 80er Jahre dämpft der scharfe internationale
Wettbewerb um Absatzmärkte und Produktionsstandorte die Inflationsrisiken. Zudem hat
sich die Entwicklung der Ölpreise in den letzten Wochen sichtlich beruhigt. In den USA
deuten ferner erste Konjunkturindikatoren auf eine wieder etwas bessere Wirtschaftsent-
wicklung hin. Der weiter voranschreitende Beschäftigungsaufbau sollte den wirtschaft-
lichen Aufschwung in den USA nachhaltig stützen.
Die globale Wirtschaftserholung dürfte sich daher 2005 mit einer Wachstumsrate von
rund 4 % auf einem zwar etwas niedrigeren, aber immer noch guten Niveau fortsetzen.
Das größte Risiko stellen in diesem Szenario die hohen Haushalts- und Leistungsbi-
lanzdefizite in den USA dar. Sie können zu einer unkontrollierten Abwertung des US-
Dollar führen und weltweite Wechselkursturbulenzen auslösen. Aber auch eine „harte
Landung“ der boomenden chinesischen Konjunktur würde die weltwirtschaftlichen Pers-
pektiven erheblich beeinträchtigen.
Euro-Raum: Noch keine eigenständige Wachstumsdynamik
Nachdem die Wirtschaft im Euro-Raum im ersten Halbjahr 2004 mit einer auf das Jahr
hochgerechneten Rate von 2 ½ % recht ordentlich wachsen konnte, hat sich die Wachs-
tumsdynamik im dritten Quartal praktisch halbiert. Ursachen für diesen Tempoverlust
waren die hohen Ölpreise sowie ein Rückgang der außenwirtschaftlichen Impulse im Zu-
ge der etwas abflauenden Weltkonjunktur. Der deutlich nachlassende Schwung aus den
internationalen Handelsbeziehungen zeigt die sehr hohe Abhängigkeit des Euro-Raums
von der weltwirtschaftlichen Entwicklung. Die binnenwirtschaftlichen Wachstumskräfte
haben jedenfalls noch keine ausreichende eigenständige Dynamik entwickelt, um das
nachgebende Exportwachstum zu kompensieren. Dies liegt vor allem an den hartnäckig-
en Arbeitsmarktproblemen in den meisten Euro-Staaten, die einer nennenswerten Bele-
bung des privaten Konsums im Wege stehen.
Angesichts der jüngsten Aufwertung des Euro und der zuletzt wieder leicht nach unten
zeigenden konjunkturellen Frühindikatoren ist kurzfristig kaum mit einer nennenswer-
ten Beschleunigung des Wirtschaftswachstums zu rechnen. Auf der anderen Seite ist
aber auch kein Rückfall in eine Stagnationsphase zu befürchten. Dafür befinden sich
die Frühindikatoren auf einem zu hohen Niveau. Außerdem werden in den nächsten Mona-
ten von der Weltwirtschaft zwar schwächere, aber alles in allem weiterhin positive
Impulse auf die Konjunktur im Euro-Raum ausgehen. Vor diesem Hintergrund dürfte das
Wirtschaftswachstum im Euro-Raum bis ins Frühjahr 2005 hinein zunächst recht moderat
bleiben. Im Laufe des kommenden Jahres könnte dann mit dem Abflauen der ölpreisbe-
dingten Belastungen sowie einer leichten Besserung auf dem Arbeitsmarkt die Binnen-
konjunktur etwas anziehen. Im Jahresdurchschnitt würde die Wachstumsrate im kommen-
den Jahr mit rund 1 ¾ % dann nur leicht unter dem diesjährigen Niveau von knapp 2 %
liegen.
Deutschland: Wirtschaftsentwicklung bleibt weiterhin aufwärtsgerichtet
Auch in Deutschland hat der wirtschaftliche Erholungsprozess im dritten Quartal
einen Rückschlag erhalten. Mit einem Plus von 0,1 % gegenüber dem Vorquartal ist
die Wirtschaft nur noch minimal gewachsen. Ähnlich wie im Euro-Raum wurde die
Wachstumsabschwächung durch eine etwas langsamere Zunahme der Exporte und schnel-
ler steigende Importe verursacht. Positiv ist allerdings zu vermerken, dass die
Ausrüstungsinvestitionen zuletzt wieder zunahmen. Dies hatte zum ersten Mal in
diesem Jahr einen Anstieg der inländischen Nachfrage zur Folge.Trotz der jüngsten
Euro-Aufwertung kann die überraschend ungünstige Entwicklung des deutschen Außen-
handels im dritten Quartal nicht ohne weiteres fortgeschrieben werden. Die deut-
sche Wirtschaft sollte daher auch im vierten Quartal wachsen. Allerdings wird der
Anstieg des Bruttoinlandsprodukts im Winterhalbjahr 2004/2005 mit vierteljährlich-
en Raten von etwa + ¼ % aller Voraussicht nach recht niedrig bleiben. Auf Grund
des vergleichsweise guten Wirtschaftswachstums im ersten Halbjahr 2004 ist für das
laufende Jahr weiterhin mit einer Wachstumsrate von 1 ¾ % zu rechnen. Im kommen-
den Jahr könnte eine allmähliche Stabilisierung des Arbeitsmarktes die Binnenwirt-
schaft etwas stützen. Wichtigster Taktgeber für die konjunkturelle Entwicklung wer-
den aber die Exporte bleiben, die aus heutiger Sicht auch 2005 etwas stärker wach-
sen sollten als die Importe. Da die deutsche Wirtschaft aller Voraussicht nach ohne
großen Schwung in das kommende Jahr starten wird, dürfte die Wachstumsrate 2005 bei
rund 1 ¼ % anzusiedeln sein. Wegen einer unterschiedlichen Zahl von Arbeitstagen
wird das Wirtschaftswachstum für das laufende Jahr jedoch um etwa 0,5 Prozentpunkte
über- und für das kommende Jahr um 0,2 Prozentpunkte unterzeichnet. Die konjunktur-
elle Grunddynamik, also die Entwicklung ohne diese Arbeitstageeffekte, sollte 2005
in etwa auf dem diesjährigen Niveau bleiben.
Arbeitsmarkt: Stabilisierung im kommenden Jahr möglich
Die Hoffnung auf eine Bodenbildung am deutschen Arbeitsmarkt hat sich bislang noch
nicht bestätigt. Die saisonbereinigte Arbeitslosigkeit, die im zweiten Halbjahr 2003
wegen statistischer Änderungen leicht gesunken ist, nimmt seit Anfang dieses Jahres
wieder zu. Zwar wächst inzwischen auch die Zahl der Beschäftigten. Dieser Effekt ist
jedoch ausschließlich auf eine Zunahme der geringfügig entlohnten Beschäftigten zu-
rück zuführen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze war bis
zuletzt weiter rückläufig.
Durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum so genannten Arbeits-
losengeld II dürfte die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland noch einmal um 300.000
bis 400.000 Personen steigen. Arbeitsfähige Sozialhilfeempfänger erhalten das neue
Arbeitslosengeld II im kommenden Jahr nämlich nur dann, wenn sie auch arbeitslos ge-
meldet sind. Da dieser Sondereffekt aber keine materielle Verschlechterung der Ar-
beitsmarktlage darstellt, dürfte die sachgerechte Interpretation der Arbeitsmarkt-
daten in den kommenden Monaten noch schwieriger werden. Gemessen an den Erfahrungen
der Vergangenheit, würde das für 2005 prognostizierte Wirtschaftswachstum nicht aus-
reichen, um positive Effekte auf dem Arbeitsmarkt zu erzielen. Allerdings darf nicht
übersehen werden, dass erste Erfolg versprechende Arbeitsmarktreformen eingeleitet
wurden und auch die Lohnpolitik sich in Richtung einer größeren Flexibilität bewegt.
Beides dürfte dazu beitragen, dass der deutsche Arbeitsmarkt bereits bei einem nie-
drigeren Wirtschaftswachstum positiv reagiert, als er dies noch vor einigen Jahren
getan hat. Bereinigt um statistische Sondereffekte, ist deshalb im kommenden Jahr
zumindest eine Stabilisierung am Arbeitsmarkt möglich.
Preisentwicklung: EZB ohne größeren Handlungsbedarf
Getrieben von den hohen Energiepreisen, ist die jährliche Inflationsrate in Deutsch-
land zuletzt auf 2,0 % gestiegen. Der Rückgang der Ölpreise in den letzten Wochen
sowie die kräftige Aufwertung des Euro dürften den Preisauftrieb zwar wieder etwas
zügeln. Wegen eines ungünstigen statistischen Basiseffekts im November und der ge-
planten Tabaksteuererhöhung im Dezember könnte die deutsche Teuerungsrate in den
nächsten zwei bis drei Monaten aber dennoch etwas über die 2 %-Marke steigen. Mit-
telfristig bleiben die Preisperspektiven in Deutschland dennoch günstig. Auf Grund
der schwierigen Arbeitsmarktlage sollte die Lohnpolitik moderat ausfallen. Zwar dro-
hen zum Jahresbeginn 2005 neuerlich administrierte Preissteigerungen, wie zum Bei-
spiel die Anhebung der Rundfunk- und Fernsehgebühren. Zugleich laufen aber auch die
staatlich bedingten Teuerungseffekte im Gesundheitssektor aus. Per saldo dürfte der
administrierte Preisauftrieb, der in diesem Jahr für etwa 0,7 Prozentpunkte der In-
flationsrate verantwortlich ist, sogar etwas nachlassen. Unterstellt man zudem eine
anhaltende Beruhigung bei den Rohölpreisen, so dürfte die deutsche Inflationsrate im
Jahresdurchschnitt 2005 bei rund 1 ½ % liegen nach 1,7 % in diesem Jahr. Im Euro-
Raum liegt die Preissteigerungsrate gegenwärtig bei 2,4 %; sie wird aller Voraus-
sicht nach bis ins Frühjahr 2005 hinein in etwa auf diesem Niveau verharren. Für die
Europäische Zentralbank besteht gleichwohl kein akuter Anlass für eine Änderung der
Geldpolitik. Die Gefahr von ölpreisbedingten „Zweitrundeneffekten“ ist nach wie vor
sehr gering. Dies unterstreichen auch die Inflationsprognosen für den Euro-Raum, in
denen für das kommende Jahr überwiegend eine Preissteigerungsrate von knapp unter 2 %
vorhergesagt wird. Hinzu kommen als weitere Faktoren die jüngste Wachstumsverlang-
samung und die Aufwertung des Euro. Beides reduziert die Inflationsrisiken für den
Euro-Raum und sollte bis auf weiteres für ein unverändertes Leitzinsniveau sorgen.
Amerikanisches Doppeldefizit treibt den Euro nach oben
Der Wechselkurs des Euro ist gegenüber dem US-Dollar in den letzten drei Jahren
kräftig gestiegen. Ursächlich für die längerfristige Aufwertung des Euro ist je-
doch mehr eine Schwäche des US-Dollar als eine Stärke des Euro. So belasten vor
allem die hohen amerikanischen Haushalts- und Leitungsbilanzdefizite die ameri-
kanische Währung. Finanziert werden diese Defizite vor allem durch Dollarkäufe
der asiatischen Notenbanken – insbesondere der chinesischen und der japanischen
Notenbank –, die auf diese Weise eine Aufwertung ihrer eigenen Währungen gegen-
über dem Dollar verhindern wollen. Durch diese Interventionen wird der Dollar
gegenüber den meisten asiatischen Währungen künstlich hoch gehalten.
Bislang lastet der Anpassungsdruck der amerikanischen Währung in erster Linie
auf dem Wechselkurs des Euro. Eine nennenswerte Reduktion des amerikanischen
Leistungsbilanzdefizits scheint auf diese Weise aber kaum möglich. Um die sich
weltweit weiter aufbauenden Ungleichgewichte zu entschärfen, steht daher nach
wie vor die Wirtschaftspolitik in der Verantwortung: Während die US-Regierung
verlässliche Perspektiven für eine Haushaltskonsolidierung aufzeigen sollte,
um den Bedarf an ausländischen Kapitalzuflüssen zu reduzieren, müssten die asia-
tischen Länder ihre Währungen gegenüber dem US-Dollar in geordneten Bahnen auf-
werten, und Europa müsste mit weiteren Strukturreformen die Bedingungen für das
Wirtschaftswachstum verbessern. Die Exportwirtschaft des Euro-Raums wird durch
den hohen Euro-Kurs zwar gebremst. Der etwas langsamere, sich aber dennoch fort-
setzende Aufschwung der Weltwirtschaft sollte diese Belastung aber weiterhin
merklich reduzieren. Außerdem darf nicht übersehen werden, dass die europäische
Wirtschaft mit der Währungsunion unabhängiger gegenüber Wechselkursschwankungen
geworden ist. Vordringlichste Aufgabe der Wirtschaftspolitik in den Euro-Staaten
bleibt es daher, die Reformen fortzusetzen, um die binnenwirtschaftlichen Wachs-
tumskräfte zu stärken und den Lissabon-Prozess endlich Schwung zu verleihen.
Quelle: Investmentfonds.de